Die letzte Überführungsfahrt ist wohl auch die Spannendste in diesem Jahr. Der Termin für die Abfahrt aus der Werft in Stettin verschiebt sich immer weiter nach hinten. Endlich Dienstag, dem 30.11.2010, kommt der Startschuss von der Werft. Am Mittwoch kann die Überführung der Passion Classic 12.60 nach Brandenburg losgehen.
Der angekündigte Wintereinbruch mit Schnee und Eis ist vorerst noch nicht da. Also wollen wir es wagen, bevor das Eis kommt. Am Mittwoch, 1. Dezember, ist es soweit. Unsere Passion Classic 12.60 für 8 Personen soll um 15.00 Uhr ins Wasser kommen. So jedenfalls die Planung! Es ist aber schon so kalt, dass der Tieflader für den Bootstransport eingefroren ist. Neue Planung: Anruf bei einer anderen Firma: der neue Tieflader kommt um 19.00 Uhr.
Unsere Martin wird verladen und zum Industriehafen in Stettin gefahren. Hier dampft das Wasser im Hafen, weil die Luft sich mittlerweile auf minus 12°C abgekühlt hat. Noch am Hakend hängend wird die neue Passion Classic 12.60 auf den Namen „Martin“, der Temperatur entsprechend, mit heißem Tee getauft. Im Wasser angekommen, wird sofort der 120 PS starke Motor von VolksMarine gestartet. Er tut sofort seine Arbeit und los geht die Überführungsfahrt. Es ist 21.00 Uhr. Der Werftchef fährt uns durch das Stettiner Haff. Er kennt die Fahrrinnenbetonnung auch bei Nacht. Wir kommen gut im Hafen vor Stettin an. Es ist schon 23.00 Uhr, und wir sind erstaunt, dass der Hafenmeister an der Kaimauer steht und uns beim Anlegen hilft, als ob noch Sommerbetrieb wäre. Vor uns liegt noch ein Segelboot, dass schon 3 Tage auf besseres Wetter wartet, um nach Greifswald aufzubrechen.
Wir machen uns gleich auf dem Weg, noch eine Gaststätte zu finden. Unser Taxi fährt uns in ein Steakhaus mit herrlichem Blick auf den Stettiner Hafen. Es ist aber schon Küchenschluss und der Koch lässt sich auch nicht umstimmen. Daher müssen wir auf eine etwas einfachere Grillimbissstube ausweichen, aber mitten in der Nacht kann man nicht allzu wählerisch sein.
Unsere „Martin“ finden wir vorgewärmt im Hafen liegen. Die Nacht schlafen wir, ohne zu frieren, gut. Die Webasto Heizung hält die Temperatur konstant auf 24°C, sodass auch der Salon angenehm warm ist. Die neue Passion Classic 12.60 ist mit Thermoscheiben augestattet, die auch im Sommer die Hitze abhalten sollen. Also Kälte halten sie ganz bestimmt fern. Auch Duschen mit heißem Wasser ist kein Problem.
Wir stellen den Wecker auf 6.30 Uhr, um früh unsere Überführungsfahrt fortzusetzen. Wir sind aber so augferegt, dass kein Wecker notwendig ist. Die Überraschung am Morgen ist perfekt, es hat geschneit. Unsere Nachbarn auf dem Segelboot schlafen noch. Im Hafen hat sich schon Eis gebildet. Wir legen ab in Richtung deutsche Grenze. Wir fahren durch den Stettiner Hafen, wo große Schiffe gebaut werden. Noch im Morgengrauen kommen wir in Stettin vorbei.
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Die Sicht ist durch den Schneefall nicht gerade hervorragend. Die Temperatur am Steuerstand ist durch den Heizungsauslass oben erstaunlicherweise sehr angenehm. Es kommen uns aber schon die ersten Schneeschollen entgegen. Thomas, unser Koch, ist mit dem Frühstück fertig und es wird gerade gemütlich. Die schwimmenden Schneeschollen entwickeln sich immer mehr zu Eisschollen. Der Schnee setzt sich immer wieder vor unsere Motorkühlung, sodass wir ständig zu tun haben, dass der Motor ausreichend Kühlung bekommt. Aus ist es mit der Gemütlichkeit.
Wir halten noch einmal in Polen in Mykylow. Der deutsche Grenzbaum ist am Ufer zu sehen. Wir haben Deutschland erreicht. Die Eisschollen bremsen die Fahrt schon ab. Wir kommen in Mescherin vorbei: die erste Anlegestelle in Deutschland. Wir fahren weiter in Richting Gartz. Man will es kaum glauben, es ist schon 13.30 Uhr. Unsere Überführungsfahrt entwickelt sich zur Schneckenfahrt. Es ist niemand außer uns (Verrückten) unterwegs. Die Landschaft sieht sehr bizarr aus. Wenn wir uns nicht so verlassen auf der Westoder fühlen würden, mit immer mehr werdenden Eisschollen mit Strömung von vorn, könnte man an dieser bezaubernden Landschaft gefallen finden.
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Endlich kommt zu unserer Erleichterung die Zivilisation in Sicht, die ersten Häuser sind zu sehen. Weiter später die Zollstation in Gartz und dann endlich der Stadtanleger kurz hinter der neuen Marina von Gartz. Wir legen in weiser Voraussicht, dass die Fahrt hier zu Ende sein könnte und das Schiff per Land seine Reise fortsetzen muss, an der Kaimauer am Stadtanleger an. Es ist schon viel Eis vorhanden, sodass wir richtig Mühe haben, anzulegen. Es trennen uns einige Meter Eis von der Kaimauer. Nach mehrmaligen Vor- und Rückwärtsfahren und kräftiger Unterstützung von netten Leuten an Land können wir fest machen.
Wir machen uns auf die Suche nach einer Gastlichkeit und werden im Ort Gartz schnell fündig. Der Chef schmeißt für uns die Küche an und wir werden mit guter Hausmannskost bewirtet. Der Hafenmeister wird eigens für uns aus dem Dorf herbei gerufen. Nach dem Essen gehen wir zusammen zum Kai, um unsere „Martin“ an den Landschluss (Strom) zu legen. Nebenbei erzählt uns der Hafenmeister, was seine Marina alles zu bieten hat, natürlich im Frühling, Sommer und Herbst. Es ist alles Wichtige vorhanden: von modernen Duschen bis zur Absauganlage für Brauchwasser. Als wir am Anleger ankommen, ist die Oder komplett mit Eisschollen zu, die durch die Bewegung starke Geräusche machen. Um eine ruhige Nacht zu verbringen, erinnern wir uns an unsere Gaststätte, die auch Fremdenzimmer hat. Wir entschließen uns die Nacht in der Pension zu verbringen. Eine gute Entscheidung: es wurde ein richtiger netter Abend in Gartz mit den Einheimischen.
Am nächsten Morgen müssen wir leider feststellen, dass eine Weiterfahrt auf der Oder nicht mehr möglich ist. Wegen des kältesten Dezemberanfangs seit Jahrzehnten können kein Schiffe mehr auf der Oder fahren. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Eberswalde teilt am Freitag mit, dass auf dem Grenzfluss zwischen Frankfurt (Oder) und dem polnischen Stettin (Szczecin) bis auf weiteres keine Schifffahrt möglich ist. Am Nachmittag wird die Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße gesperrt.
Wir lassen uns mit dem Auto abholen, nachdem wir die „Martin“ winterfest gemacht haben. Der Hafenmeister verspricht uns nach dem Rechten zu sehen, bis wir Dienstag der kommenden Woche das Schiff kranen und auf dem Landweg nach Brandenburg bringen wollen.